Discussion:
Sorbien
(zu alt für eine Antwort)
Christian Pree
2004-09-10 00:34:40 UTC
Permalink
Nein, das ist kein Fipptehler.

Die Sorben sind bekanntlich ein westslawisches Volk, das in der Gegend
der Lausitz beheimatet ist und in Deutschland Minderheitenschutz
genießt. Es gibt aber kein Bundesland Sorbien, noch viel weniger einen
eigenen Staat. Warum eigentlich? Und was hätte anders laufen müssen,
damit es einen Staat Sorbien gibt?

Meiner Ansicht nach hätte da schon im Mittelalter, bei der deutschen
Ostsiedlung, etwas anders laufen müssen. Ab diesen Zeitpunkt waren die
Sorben umgeben (und durchdrungen?) von einer deutschen Mehrheit und
hatten damit mit wenig Chancen auf Eigenstaatlichkeit. Oder?

Ab da sind dann IMO die Abweichungen zu groß, um etwas über den weiteen
Geschichtsverlauf spekulieren zu können - der wäre binnen kurzem
signifikant anders verlaufen.

Überhaupt hatten die diversen westslawischen Völker massive Probleme mit
der Eigenstaatlichkeit oder auch mit der Vorherrschaft in einem Gebiet:
- die Tschechen waren 800 Jahre unter Habsburger-Herrschaft, mit einer
starken deutschen Minderheit als Oberschicht.
- die Slowaken waren 1000 Jahre Teil von Ungarn
- die Polen waren im Mittelalter schon ein Großreich und wurden doch um
1800 aufgeteilt
- die Slawen auf österreichischem Gebiet (Siedlungsbereich immerhin bis
Salzburg!) wurden größtenteils assimiliert.

Die größte Chance, eine größere Rolle zu spielen, hatten wohl die
Tschechen. Aber Przemysl Ottokar verlor gegen Rudolf von Habsburg.


Christian

P.S.: Wenn sich hier nicht bald mehr tut, wird es wirklich Zeit, daß der
letzte das Licht abdreht...
--
Archiv von alt.culture.austrian: http://www.chpr.at/aca.html
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Bibliographie deutschspr. SF: http://www.chpr.at/sfstory.html
Posten in detebe - Beschaeftigung bis ins hohe Alter (Tiko in detebe)
Onno Tasler
2004-09-10 06:50:31 UTC
Permalink
Post by Christian Pree
Es gibt aber kein Bundesland Sorbien, noch viel weniger einen
eigenen Staat. Warum eigentlich?
Weil die Sorben nie ein sorbisches Nationalbewußtsein entwickelt haben.
Post by Christian Pree
Und was hätte anders laufen müssen, damit es einen Staat Sorbien gibt?
Die Sorben hätten vor dem ersten Weltkrieg Krawall machen müssen, um auf
ihren Status als "Nation" aufmerksam zu machen und dadurch einen eigenen
Staat zu erhalten. Hat im Fall der anderen benannten Völker ja auch
geklappt.
Post by Christian Pree
Ab diesen Zeitpunkt waren die Sorben umgeben (und durchdrungen?) von
einer deutschen Mehrheit und hatten damit mit wenig Chancen auf
Eigenstaatlichkeit. Oder?
Das Baskenland, Cornwall, Bretagne und weitere ethnische Kleingruppen
sind ebenfalls nicht eigenständig, obwohl bei ihnen dieser Punkt nicht
zutrifft. Und genau genommen wohnen in Teilen der Schweiz, Nordbelgien,
den Niederlanden und Österreich auch "ethnisch Deutsche", welche sich
aber nicht als "Deutsche" fühlen - hier hat die Zugehörigkeit zu einer
Bevölkerungsmehrheit also dennoch zu einem eigenen Staat geführt.

Staaten wurden lediglich nach dem 1. Weltkrieg nach dem
Volk=Nation=Staat-Prinzip gegründet, nach dem 2. Weltkrieg wurde
versucht ethnische Reinheit durch Vertreibungen zu sichern; davor gab es
eigentlich kaum "homogene Staaten" sie waren eher zufällig entstanden
und haben sich dann eine gemeinsame nationale Identität gebastelt.
--
viele Grüße

Onno
-----
GANYAN TALAGA ANG BUHAY. MINSAN NAGBIBIRO.
Ralf Kusmierz
2004-09-10 21:11:34 UTC
Permalink
X-No-Archive: Yes
Post by Onno Tasler
Post by Christian Pree
Es gibt aber kein Bundesland Sorbien, noch viel weniger einen
eigenen Staat. Warum eigentlich?
Weil die Sorben nie ein sorbisches Nationalbewußtsein entwickelt haben.
Ich halte das für einen falschen Ansatz in der Frage der Bundesländer.
Die sind nämlich ein Ergebnis der deutschen Kleinstaaterei, die
wiederum auf dem mittelalterlichen Lehnssystem beruht. Bestes Beispiel
ist das für Sorbien "zuständige" Sachsen: was für eine Bevölkerung
lebt eigentlich in Sachsen?

Richtig, Thüringer und Slawen (Wenden), aber keine Sachsen. Das Land
Sachsen heißt nämlich nicht nach seinen Bewohnern so, sondern erhielt
seinen Namen im Verlauf der dynastischen Namensfolge: die sächsischen
Fürsten waren nämlich ursprünglich Sachsen und erhielten das Land als
markgräfliches Lehen.

Und sie taten sich dann ganz schön dicke, wurden auch Könige von Polen
und noch so einiges (tatsächlich wurde am Dresdner Hof mit der
Kaiserwürde spekuliert), und aus diesem historischen Zufall gab es
keine sorbischen Herrscher im Reich, die dann einen Gliedstaat bzw.
ein Bundesland einzubringen gehabt hätten.

"Richtige" Sachsen gibt es eben nur in Niedersachsen, was allerdings
bis zur Benrather Linie reicht.

Und daß es außerhalb des deutschen Reiches zu keinem großslawischen
(wendischen) Nordreich kam, lag natürlich an dem ebenfalls
historischen Zufall, daß die christliche Missionierung nur bis
Mitteldeutschland reichte und der Slawenmission des Kyrillos zuvorkam,
so daß sich der deutsche Ritterorden bemüßigt fühlte, die Heiden zu
bekriegen und zu beherrschen bis zum Haff und dort die Marien- und
andere Ordensburgen zu errichten, und damit war das gesamte Wendland
bis weit hinter die Oder deutsch dominiert.

(Als "Rache" haben die heidnischen Pruzzen dann der Vormacht der
Reichsföderation ihren Namen verpaßt, sozusagen das Gegenteil der
dynastischen Namensfolge, deshalb heißt halb Deutschland (nördliche
Hälfte) auch Preußen und nicht Hohenzollern.)

Erst sehr viel später haben die inzwischen christlichen, aber
katholischen und nicht orthodoxen und sich deshalb nicht dem
slawischen Raum zugehörig fühlenden Polen ihren eigenen Staat
aufgemacht, dem aber nicht viel Glück beschieden war: er wurde
meistens fremdbeherrscht und immer wieder zwischen dem Reich und
Rußland zerrieben und aufgeteilt.

Sorbien? Nee, dafür war kein Platz. Die maßgeblichen Mächte hießen
Habsburg (hatten mit Österreich ihren eigenen Staat), Preußen, Bayern
und Sachsen, und dann gab es da noch Schweden und Rußland. (Sachsen
erkennt man daran, daß es historisch immer auf der falschen Seite
stand.)

War da noch was?

Ach ja, in Weimar hatten sie auch noch einen Staat aufgemacht.
Thüringen oder so hieß der. Nicht weiter von Bedeutung, da gab's nur
Wurst und Dichter.


Gruß aus Bremen
Ralf
--
R60: Substantive werden groß geschrieben. Grammatische Schreibweisen:
adressiert Appell asynchron Atmosphäre Autor bißchen Ellipse Emission
gesamt heraus Immission interessiert korreliert korrigiert Laie
nämlich offiziell parallel reell Satellit Standard Stegreif voraus
Onno Tasler
2004-09-11 05:22:36 UTC
Permalink
Post by Ralf Kusmierz
Ich halte das für einen falschen Ansatz in der Frage der Bundesländer.
Die sind nämlich ein Ergebnis der deutschen Kleinstaaterei, die
wiederum auf dem mittelalterlichen Lehnssystem beruht.
Die heutigen deutschen Bundesländer sind ein Ergebnis der föderalen
Ordnung Deutschlands durch die Alliierten nach dem zweiten Weltkrieg,
weil diese keine starke Zentralmacht in Deutschland wollten. Das heutige
Baden-Würtenberg besteht aus wenigstens drei ehemaligen Kleinstaaten,
Bayern hat die Pfalz verloren, Mecklenburg-Strelitz und Pommern
existieren auch nicht als eigenständige Bundesländer, Preußen wurde
zerschlagen, aus den halben Dutzend Sachsens wurden Thüringen, Sachsen
und Sachsen-Anhalt.

Auf dem mittelalterlichen Lehnssystem können die Bundesländer gar nicht
beruhen, dann gäbe es überall unabhängige Rittergüter und Bundesländer
die munter durch die ganze Republik verstreut wären.
Post by Ralf Kusmierz
Erst sehr viel später haben die inzwischen christlichen, aber
katholischen und nicht orthodoxen und sich deshalb nicht dem
slawischen Raum zugehörig fühlenden Polen ihren eigenen Staat
aufgemacht, dem aber nicht viel Glück beschieden war: er wurde
meistens fremdbeherrscht und immer wieder zwischen dem Reich und
Rußland zerrieben und aufgeteilt.
Also, laut "Eine kleine Geschichte Polens" existiert Polen seit ungefähr
dem Jahr 1000, der erste polnische Herzog, Mieszko I, wurde 963 getauft,
sein Enkel Kasimir erhielt die Königswürde. Seit 1386 war Polen in
Gemeinschaft mit Litauen ein Großreich das immerhin Moskau bedrohte und
von der Ostsee bis weit in die Ukraine reichte. Erst im 16. Jahrhundert
bekommt Polen außenpolitische Probleme, bis dahin gilt es als Großmacht
und erst im 18. Jahrhundert wird Polen geteilt.
--
viele Grüße

Onno
-----
GANYAN TALAGA ANG BUHAY. MINSAN NAGBIBIRO.
Volker Eichmann
2004-09-17 09:53:14 UTC
Permalink
Hallihallo!
Post by Onno Tasler
Post by Ralf Kusmierz
Ich halte das für einen falschen Ansatz in der Frage der Bundesländer.
Die sind nämlich ein Ergebnis der deutschen Kleinstaaterei, die
wiederum auf dem mittelalterlichen Lehnssystem beruht.
Die heutigen deutschen Bundesländer sind ein Ergebnis der föderalen
Ordnung Deutschlands durch die Alliierten nach dem zweiten Weltkrieg,
weil diese keine starke Zentralmacht in Deutschland wollten. Das heutige
Baden-Würtenberg besteht aus wenigstens drei ehemaligen Kleinstaaten,
Bayern hat die Pfalz verloren, Mecklenburg-Strelitz und Pommern
existieren auch nicht als eigenständige Bundesländer, Preußen wurde
zerschlagen, aus den halben Dutzend Sachsens wurden Thüringen, Sachsen
und Sachsen-Anhalt.
Du bist nicht ganz auf dem Laufenden bzw. bringst da einen Haufen
fehlerhafter Dinge. Das halbe Dutzend Sachsens (es waren nur vier, um
genau zu sein) wurde bereits 1920 zu einem Land Thüringen
zusammengefasst, zusammen mit zweimal Reuß und zweimal Schwarzburg. Und
das heutige Sachsen hat - mit Ausnahme einzelner Randbereiche wie
Torgau, Hoyerswerda, etc. nie zu Preußen gehört.

Im übrigen haben sich die Allierten durchaus an der schon
jahrhundertelang ausgeprägten föderalen Struktur Deutschlands
orientiert. Das zeigen die Namen und die Grenzen der heutigen Länder
deutlich an. Unser heutiges föderales System steht in direkter Tradition
aller Vorgängerstaaten, seien es die Weimarer Republik, das Kaiserreich,
der Deutsche Bund oder das HRRDN.
Post by Onno Tasler
Auf dem mittelalterlichen Lehnssystem können die Bundesländer gar nicht
beruhen, dann gäbe es überall unabhängige Rittergüter und Bundesländer
die munter durch die ganze Republik verstreut wären.
Doch, sie beruhen auf den sich aus dem Lehnssystem heraus gewachsenen
deutschen Territorialstaaten des HRRDN, letztlich auf den
Gebietsänderungen im Zuge von Reichshauptschluss und Säkularisation in
der napoleonischen Zeit. Die Linie ist eindeutig sichtbar, viele absurde
Grenzziehungen zwischen Bundesländern sind letztlich schon auf Karten
des 15. und 16. Jahrhunderts zu erkennen.
Post by Onno Tasler
Post by Ralf Kusmierz
Erst sehr viel später haben die inzwischen christlichen, aber
katholischen und nicht orthodoxen und sich deshalb nicht dem
slawischen Raum zugehörig fühlenden Polen ihren eigenen Staat
aufgemacht, dem aber nicht viel Glück beschieden war: er wurde
meistens fremdbeherrscht und immer wieder zwischen dem Reich und
Rußland zerrieben und aufgeteilt.
Also, laut "Eine kleine Geschichte Polens" existiert Polen seit ungefähr
dem Jahr 1000, der erste polnische Herzog, Mieszko I, wurde 963 getauft,
sein Enkel Kasimir erhielt die Königswürde. Seit 1386 war Polen in
Gemeinschaft mit Litauen ein Großreich das immerhin Moskau bedrohte und
von der Ostsee bis weit in die Ukraine reichte. Erst im 16. Jahrhundert
bekommt Polen außenpolitische Probleme, bis dahin gilt es als Großmacht
und erst im 18. Jahrhundert wird Polen geteilt.
Hierzu volle Zustimmung, ähnlich habe ich Ralf das ja in einem anderen
Posting auch vorgehalten.

Gruß, Volker
Onno Tasler
2004-09-18 05:28:38 UTC
Permalink
Und das heutige Sachsen hat - mit Ausnahme einzelner Randbereiche wie
Torgau, Hoyerswerda, etc. nie zu Preußen gehört.
Das wollte ich auch nicht behaupten, habe mich wohl etwas
mißverständlich ausgedrückt.
Im übrigen haben sich die Allierten durchaus an der schon
jahrhundertelang ausgeprägten föderalen Struktur Deutschlands
orientiert.
Ja, sie haben sich daran orientiert, es aber eben nicht übernommen. In
vielen Teilen haben sie sich lieber an ihren eigenen Interessen
orientiert als an traditionellen Grenzziehungen, auch hätte es ihnen
freigestanden Deutschland nach ganz anderen Kriterien aufzuteilen.

Deutschlands derzeitiges Aussehen orientiert sich zwar an den alten
Staaten aus dem HRR und dem DR; dass es so aussieht hat es aber den
Vorstellungen der Alliierten über die Struktur für Deutschland nach dem
zweiten Weltkrieg zu verdanken.
--
viele Grüße

Onno
-----
GANYAN TALAGA ANG BUHAY. MINSAN NAGBIBIRO.
Patrick Borer
2004-09-20 18:07:48 UTC
Permalink
Onno Tasler <***@spamfence.net> schrieb:

(...)
Post by Onno Tasler
Deutschlands derzeitiges Aussehen orientiert sich zwar an den alten
Staaten aus dem HRR und dem DR; dass es so aussieht hat es aber den
Vorstellungen der Alliierten über die Struktur für Deutschland nach dem
zweiten Weltkrieg zu verdanken.
Wäre es nicht sinnvoller gewesen, Deutschland in mehrere kleine
Staaten aufzuteilen, so von Schweizer oder Österreicher Grösse,
wodurch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Grossmachtsgelüste weiter
herabgesetzt worden wäre?

Patrick Borer
Jörn Kirschner
2004-09-21 06:19:17 UTC
Permalink
Hallo Patrick,
Post by Patrick Borer
Wäre es nicht sinnvoller gewesen, Deutschland in mehrere kleine
Staaten aufzuteilen, so von Schweizer oder Österreicher Grösse,
Was ja durch die Einteilung in die Besatzungszonen gemacht wurde.
Post by Patrick Borer
wodurch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Grossmachtsgelüste weiter
herabgesetzt worden wäre?
Dannach brauchte man die die "Zusammenlegung" als Puffer gegen den Ostblock

Jörn

--
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Peter Bruells
2004-09-21 07:44:08 UTC
Permalink
Post by Patrick Borer
(...)
Post by Onno Tasler
Deutschlands derzeitiges Aussehen orientiert sich zwar an den alten
Staaten aus dem HRR und dem DR; dass es so aussieht hat es aber den
Vorstellungen der Alliierten über die Struktur für Deutschland nach dem
zweiten Weltkrieg zu verdanken.
Wäre es nicht sinnvoller gewesen, Deutschland in mehrere kleine
Staaten aufzuteilen, so von Schweizer oder Österreicher Grösse,
wodurch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Grossmachtsgelüste weiter
herabgesetzt worden wäre?
Nur, wenn man Westdeutschland nicht als Machtfaktor gegen den Ostblock
gebraucht hätte. Ohne wäre es evtl. sinnvoll gewesen, wobei man
ziemlich füttern hätte müssen, um der Bevölkerung eine Zerschlagung zu
"verkaufen" - insbesondere, da Dänemark, Niederlande, Frankreich und
evtl. Österreich versucht hätte, sich Landesteile anzueignen.
Onno Tasler
2004-09-21 09:14:18 UTC
Permalink
Post by Peter Bruells
Post by Patrick Borer
Wäre es nicht sinnvoller gewesen, Deutschland in mehrere kleine
Staaten aufzuteilen, so von Schweizer oder Österreicher Grösse,
wodurch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Grossmachtsgelüste weiter
herabgesetzt worden wäre?
Nur, wenn man Westdeutschland nicht als Machtfaktor gegen den Ostblock
gebraucht hätte.
Hmm, soweit ich mich erinnere gab es ziemlich viele verschiedene Pläne
für Deutschland, unter anderem eine vollständige Entwaffnung und
Beschränkung auf Friedensproduktion, aber eine Aufspaltung war
eigentlich nicht geplant - eigentlich war ja eine gemeinsame Regierung
aller Alliierten geplant. Nur konnten sich Westalliierte und Sowjetunion
dann ganz und gar nicht auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen. Eine
Zerstückelung Deutschlands in viele kleine Staaten hingegen war mWn
keine von den Großmächten ernsthaft erwogene Option.

Abgesehen davon wurde Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg ja schon
ganz gut verkleinert, vielleicht hielten die Alliierten das bereits für
ausreichend um Deutschland langfristig von erneuten Großmachtsphantasien
abzuhalten.
Post by Peter Bruells
evtl. Österreich versucht hätte, sich Landesteile anzueignen.
(^_^) - Österreich verbindet sich wieder mit Bayern (es war ja im
Hochmittelalter davon abgespalten worden) und lässt das alte Herzogtum
Bayern in voller Größe wiederauferstehen. *LOL*
--
viele Grüße

Onno
-----
GANYAN TALAGA ANG BUHAY. MINSAN NAGBIBIRO.
Christian Pree
2004-09-27 23:28:27 UTC
Permalink
Post by Onno Tasler
Post by Peter Bruells
evtl. Österreich versucht hätte, sich Landesteile anzueignen.
(^_^) - Österreich verbindet sich wieder mit Bayern (es war ja im
Hochmittelalter davon abgespalten worden) und lässt das alte Herzogtum
Bayern in voller Größe wiederauferstehen. *LOL*
"An den Feuern der Leyermark" von Carl Amery ist Dir bekannt?

Zum Verhältnis Bayern - Österreich empfiehlt sich auch "Der
bayerisch-österreichische Krieg von 1987" von Rainer Stephan (mit zwar
weniger Alternativwelt-Gehalt, dafür aber ganz witzig).


Christian
--
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Posten in detebe - Beschaeftigung bis ins hohe Alter (Tiko in detebe)
Bernd Gramlich
2004-09-29 15:48:13 UTC
Permalink
Post by Onno Tasler
Hmm, soweit ich mich erinnere gab es ziemlich viele verschiedene
Pläne für Deutschland, unter anderem eine vollständige Entwaffnung
und Beschränkung auf Friedensproduktion, aber eine Aufspaltung war
eigentlich nicht geplant - eigentlich war ja eine gemeinsame
Regierung aller Alliierten geplant.
Die radikalste Idee war wohl der Morgenthauplan, der in der Tat unter
anderem die Aufspaltung in mehrere Mittelstaaten vorsah.

Ich glaube allerdings nicht, daß das eine gute Idee gewesen wäre. Die
Lehre aus den Friedensbedingungen nach dem Ersten Weltkrieg war doch,
daß der Versuch, den Verlierer allzustark zu bestrafen, die
Feindseligkeiten wachhält oder gar noch verstärkt. Darum bemühte man
sich auf Seiten der Westalliierten, ein Deutschland zu schaffen, in dem
die Deutschen gern leben. Das gelang ja sogar einigermaßen und wäre
vermutlich eine ungetrübte Erfolgsgeschichte geworden, wenn Stalin
ebenfalls mitgespielt hätte. Da ideologische Differenzen das
verhinderten, verkomplizierte die deutsche Zweistaatigkeit die
Geschichte um einiges.

Im Rückblick war die Entscheidung der Alliierten zur Deutschen Einheit
wohl richtig. Deutschland ist heutzutage ein Ruhepol in der Mitte
Europas und wirkt integrierend auf die Nachbarn - etwas Schöneres
konnte man sich aus der Sicht von 1945 kaum wünschen.

Zum Vergleich: wer kann sich heute ernsthaft einen Irak von 2050
vorstellen, der politisch und wirtschaftlich federführend in der
Morgenländischen Union ist und es schafft, Schiiten und Sunniten,
Israelis und Palästinenser zu versöhnen und unter ein gemeinsames
supranationales Dach zu führen?
--
Bernd Gramlich Quod scripsi, scripsi.
Thomas Gehrke
2004-09-30 07:57:45 UTC
Permalink
Post by Bernd Gramlich
Zum Vergleich: wer kann sich heute ernsthaft einen Irak von 2050
vorstellen, der politisch und wirtschaftlich federführend in der
Morgenländischen Union ist und es schafft, Schiiten und Sunniten,
Israelis und Palästinenser zu versöhnen und unter ein gemeinsames
supranationales Dach zu führen?
George W. Bush?

:-)
SCNR

Thomas
Volker Eichmann
2004-09-30 09:28:03 UTC
Permalink
Hallihallo!
Post by Bernd Gramlich
Post by Onno Tasler
Hmm, soweit ich mich erinnere gab es ziemlich viele verschiedene
Pläne für Deutschland, unter anderem eine vollständige Entwaffnung
und Beschränkung auf Friedensproduktion, aber eine Aufspaltung war
eigentlich nicht geplant - eigentlich war ja eine gemeinsame
Regierung aller Alliierten geplant.
Die radikalste Idee war wohl der Morgenthauplan, der in der Tat unter
anderem die Aufspaltung in mehrere Mittelstaaten vorsah.
Aufspaltungspläne gab es verschiedene, das Alleinstellungsmerkmal des
Morgenthauplans war eher die absurde Idee, Deutschland zum
deindustrialisierten Agrarstaat zu machen.
Post by Bernd Gramlich
Ich glaube allerdings nicht, daß das eine gute Idee gewesen wäre. Die
Lehre aus den Friedensbedingungen nach dem Ersten Weltkrieg war doch,
daß der Versuch, den Verlierer allzustark zu bestrafen, die
Feindseligkeiten wachhält oder gar noch verstärkt. Darum bemühte man
sich auf Seiten der Westalliierten, ein Deutschland zu schaffen, in dem
die Deutschen gern leben. Das gelang ja sogar einigermaßen und wäre
vermutlich eine ungetrübte Erfolgsgeschichte geworden, wenn Stalin
ebenfalls mitgespielt hätte. Da ideologische Differenzen das
verhinderten, verkomplizierte die deutsche Zweistaatigkeit die
Geschichte um einiges.
Insgesamt aber trotzdem eine Erfolgsgeschichte, die letztlich u.a. wohl
auch funktioniert hat, weil trotz aller Differenzen ein gemeinsamer
kultureller Hintergrund bei Siegern und Besiegten vorhanden war.
Post by Bernd Gramlich
Im Rückblick war die Entscheidung der Alliierten zur Deutschen Einheit
wohl richtig. Deutschland ist heutzutage ein Ruhepol in der Mitte
Europas und wirkt integrierend auf die Nachbarn - etwas Schöneres
konnte man sich aus der Sicht von 1945 kaum wünschen.
Und ob das jemand so 1945 hätte prophezeien wollen...? Manchmal ist die
Wirklichkeit doch besser als jede Vision.
Post by Bernd Gramlich
Zum Vergleich: wer kann sich heute ernsthaft einen Irak von 2050
vorstellen, der politisch und wirtschaftlich federführend in der
Morgenländischen Union ist und es schafft, Schiiten und Sunniten,
Israelis und Palästinenser zu versöhnen und unter ein gemeinsames
supranationales Dach zu führen?
Ich kanns mir kaum vorstellen, so toll das wäre. Frag mal Donny Rumsfeld
oder Schorschdabbelju...

Gruß, Volker
Patric Mueller
2004-10-01 14:23:33 UTC
Permalink
Post by Bernd Gramlich
Post by Onno Tasler
Hmm, soweit ich mich erinnere gab es ziemlich viele verschiedene
Pläne für Deutschland, unter anderem eine vollständige Entwaffnung
und Beschränkung auf Friedensproduktion, aber eine Aufspaltung war
eigentlich nicht geplant - eigentlich war ja eine gemeinsame
Regierung aller Alliierten geplant.
http://www.bayern.de/HDBG/verfas/hbr12.htm
Post by Bernd Gramlich
Die radikalste Idee war wohl der Morgenthauplan, der in der Tat unter
anderem die Aufspaltung in mehrere Mittelstaaten vorsah.
Roosevelt war dem Morgenthauplan nicht abgeneigt, als Morgenthau den
Plan ihm und Churchill präsentiert hat. Als der Morgenthauplan dann
aber durch eine gezielte Indiskretion bekannt wurde und von der
Öffentlichkeit sehr negativ aufgenommen wurde, hat er sich dann auch
von ihm distanziert.

Thomas Ziegler hat einen schönen Roman zu diesem Thema geschrieben. In
"Stimmen der Nacht" wurde der Morgenthauplan umgesetzt, was im Roman den
interessanten Effekt hatte, dass viele der Deutschen wegen der
Demütigung nach Südamerika ausgewandert sind und die USA nach dem 2.WK
*nicht* federführend in der technischen und wissenschaftlichen
Entwicklung war.
Post by Bernd Gramlich
Ich glaube allerdings nicht, daß das eine gute Idee gewesen wäre. Die
Lehre aus den Friedensbedingungen nach dem Ersten Weltkrieg war doch,
daß der Versuch, den Verlierer allzustark zu bestrafen, die
Feindseligkeiten wachhält oder gar noch verstärkt. Darum bemühte man
sich auf Seiten der Westalliierten, ein Deutschland zu schaffen, in dem
die Deutschen gern leben. Das gelang ja sogar einigermaßen und wäre
vermutlich eine ungetrübte Erfolgsgeschichte geworden, wenn Stalin
ebenfalls mitgespielt hätte. Da ideologische Differenzen das
verhinderten, verkomplizierte die deutsche Zweistaatigkeit die
Geschichte um einiges.
Ich glaube, dass dabei schon viel von der Mentalität des späteren
Kalten Krieges mitspielte. Die mutwillige Zerschlagung Deutschlands
hätte eher den Kommunisten in die Hände gespielt.

Eigentlich ist es sehr ironisch. Im Gegensatz zu heute haben es die
Alliierten damals geschafft, nicht als negative Besatzungsmacht
aufzutreten. Im Irak sind sie offiziell keine, verhalten sich aber
genau so.

Tschüss
Patric
Patrick Borer
2004-10-01 19:13:50 UTC
Permalink
Patric Mueller <***@bigfoot.com> schrieb:

(...)
Post by Patric Mueller
Thomas Ziegler hat einen schönen Roman zu diesem Thema geschrieben. In
"Stimmen der Nacht" wurde der Morgenthauplan umgesetzt, was im Roman den
interessanten Effekt hatte, dass viele der Deutschen wegen der
Demütigung nach Südamerika ausgewandert sind und die USA nach dem 2.WK
*nicht* federführend in der technischen und wissenschaftlichen
Entwicklung war.
Nach dem Morgenthauplan sollte Deutschland ja auch bloss in drei Teile
aufgeteilt werden (Norddeutschland, Süddeutschland, Internationale
Zone Ruhrgebiet). Was mir vorschwebt, ist eine Aufteilung in mehrere
kleine Staaten (ca. zehn, das würde jeweils etwa der Grösse der
Schweiz entsprechen; ein paar etwas grösser, einige etwas kleiner),
die sich an alten Grenzen orientiert hätte.

Meines Erachtens hätten sich zahlreiche Einwohner von zu
eigenständigen Staaten aufgewerteten Gebieten wie Bayern oder
Baden-Württemberg (auch wieder sinnvollerweise zusammengelegt) wohl
kaum "gedemütigt" gefühlt, sondern es hätte vielmehr der bereits
vorhandene und seit Jahrhunderten tief verankerte Regionalpatriotismus
den während bloss einiger Jahrzehnte eingehämmerten Stolz auf ein
Grossreich leicht überwunden und zu grosser Zustimmung zum jeweiligen
neuen Kleinstaat geführt.

Patrick Borer
Bernd Gramlich
2004-10-01 20:50:31 UTC
Permalink
Post by Patrick Borer
Meines Erachtens hätten sich zahlreiche Einwohner von zu
eigenständigen Staaten aufgewerteten Gebieten wie Bayern oder
Baden-Württemberg (auch wieder sinnvollerweise zusammengelegt) wohl
kaum "gedemütigt" gefühlt, sondern es hätte vielmehr der bereits
vorhandene und seit Jahrhunderten tief verankerte
Regionalpatriotismus den während bloss einiger Jahrzehnte
eingehämmerten Stolz auf ein Grossreich leicht überwunden und zu
grosser Zustimmung zum jeweiligen neuen Kleinstaat geführt.
Ganz so einfach ist es nicht, denn eine jahrhundertelange
regionalpatriotische Kontinuität ist in Deutschland eher die Ausnahme
als die Regel. Dazu gab es einfach zu viele Eroberungen und Erbfolgen,
die die regionale Zugehörigkeit veränderten. Vor allem die
Umstrukturierungen in napoleonischer und postnapoleonischer Zeit
verkomplizierten den Regionalpatriotismus.

Um das einmal ganz kurz an einem Beispiel zu verdeutlichen: Mein
Heimatgefühl basiert nicht auf politischer Zugehörigkeit, sondern auf
der Sprache. Daß ich in Baden-Württemberg geboren bin und jetzt in
Bayern wohne, ist dafür unerheblich - an beiden Orten wird Fränkisch
gesprochen, und ich fühle mich hier wie da zu Hause. Zwischenzeitlich
lebte ich jedoch einmal auf der Sprachgrenze zwischen Fränkisch und
Hessisch und kam mir dort sehr fremd vor.

Anderen Deutschen, die seltener oder radikaler umgezogen sind als ich,
mag die politische Zugehörigkeit mehr und die Sprache weniger bedeuten.

Wie auch immer, Kleinstaaterei hätte man natürlich auf die eine oder
andere Weise einführen können. Ich glaube aber nicht so recht daran,
daß die Idee einer deutschen Nation damit wirklich in Vergessenheit
geraten wäre. Dazu war Deutschland in den 70+ Jahren eines
Nationalstaats schon zu sehr zusammengewachsen, hatte freiwillige
horizontale Mobilität erlebt und mußte plötzlich auch noch große
Scharen an Vertriebenen aufnehmen.
--
Bernd Gramlich Quod scripsi, scripsi.
Patric Mueller
2004-10-04 14:39:51 UTC
Permalink
Post by Patrick Borer
Nach dem Morgenthauplan sollte Deutschland ja auch bloss in drei Teile
aufgeteilt werden (Norddeutschland, Süddeutschland, Internationale
Zone Ruhrgebiet). Was mir vorschwebt, ist eine Aufteilung in mehrere
kleine Staaten (ca. zehn, das würde jeweils etwa der Grösse der
Schweiz entsprechen; ein paar etwas grösser, einige etwas kleiner),
die sich an alten Grenzen orientiert hätte.
10 Schweizer Staaten mehr? Dank nein, die eine Schweiz langt mir. ;-)

Eine so starke Versplitterung Deutschlands wäre aber für die
Besatzungsmächte eher hinderlich geworden, als sich abzeichnete, dass
die Sowjetunion sich nicht an die Abmachungen halten würde. Ich
schätze, eine Aufteilung in vier verschiedene Staaten, entsprechend
den Besatzungszonen, ist die höchste Anzahl deutsch-deutscher Staaten,
die man sinnvollerweise hinkriegen könnte.
Post by Patrick Borer
Meines Erachtens hätten sich zahlreiche Einwohner von zu
eigenständigen Staaten aufgewerteten Gebieten wie Bayern oder
Baden-Württemberg (auch wieder sinnvollerweise zusammengelegt) wohl
kaum "gedemütigt" gefühlt, sondern es hätte vielmehr der bereits
vorhandene und seit Jahrhunderten tief verankerte Regionalpatriotismus
den während bloss einiger Jahrzehnte eingehämmerten Stolz auf ein
Grossreich leicht überwunden und zu grosser Zustimmung zum jeweiligen
neuen Kleinstaat geführt.
Das hätte auch ein Zurückdrehen der Geschichte um weit mehr als
hundert Jahre bedeutet. Die Deutschen verstanden sich schon lange als
ein Volk und den Wunsch nach einem deutschen Staat gab es schon sehr
lange.

Hätten die Besatzungsmächte den deutschen Staat zerschlagen, dann
hätte das auch Ressentiments ihnen gegenüber erzeugen können und
vielleicht sogar zu Irak-ähnlichen Zuständen führen können.

Tschüss
Patric

Christian Pree
2004-09-27 23:28:24 UTC
Permalink
Post by Peter Bruells
Post by Patrick Borer
Wäre es nicht sinnvoller gewesen, Deutschland in mehrere kleine
Staaten aufzuteilen, so von Schweizer oder Österreicher Grösse,
wodurch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Grossmachtsgelüste weiter
herabgesetzt worden wäre?
Nur, wenn man Westdeutschland nicht als Machtfaktor gegen den Ostblock
gebraucht hätte. Ohne wäre es evtl. sinnvoll gewesen, wobei man
ziemlich füttern hätte müssen, um der Bevölkerung eine Zerschlagung zu
"verkaufen" - insbesondere, da Dänemark, Niederlande, Frankreich und
evtl. Österreich versucht hätte, sich Landesteile anzueignen.
Welche Landesteile hätte Österreich denn haben wollen? Mir fehlt die
Phantasie und/oder das Vorwissen, um da etwas zu finden.

Ganz abgesehen davon, daß Österreich als besetzes Land unter Kontrolle
der Alliierten zu der Zeit nun wirklich ganz andere Sorgen hatte.


Christian
--
Archiv von alt.culture.austrian: http://www.chpr.at/aca.html
Begriffsdefinitionen aus detebe: http://www.viaweb.at/pree/begriffe.html
Bibliographie deutschspr. SF: http://www.chpr.at/sfstory.html
Posten in detebe - Beschaeftigung bis ins hohe Alter (Tiko in detebe)
Michael Dahms
2004-09-28 07:17:46 UTC
Permalink
Post by Christian Pree
Welche Landesteile hätte Österreich denn haben wollen? Mir fehlt die
Phantasie und/oder das Vorwissen, um da etwas zu finden.
Bayern?

Michael Dahms
Christian Pree
2004-09-29 22:59:04 UTC
Permalink
Post by Michael Dahms
Post by Christian Pree
Welche Landesteile hätte Österreich denn haben wollen? Mir fehlt die
Phantasie und/oder das Vorwissen, um da etwas zu finden.
Bayern?
Igitt. Wir nehmen doch nicht jeden!


Christian
--
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Posten in detebe - Beschaeftigung bis ins hohe Alter (Tiko in detebe)
Michael Dahms
2004-09-30 12:16:57 UTC
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Post by Christian Pree
Igitt. Wir nehmen doch nicht jeden!
Südtirol wäre euch lieber, oder?

Michael Dahms
Peter Bruells
2004-09-28 13:33:59 UTC
Permalink
Post by Christian Pree
Post by Peter Bruells
Post by Patrick Borer
Wäre es nicht sinnvoller gewesen, Deutschland in mehrere kleine
Staaten aufzuteilen, so von Schweizer oder Österreicher Grösse,
wodurch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Grossmachtsgelüste weiter
herabgesetzt worden wäre?
Nur, wenn man Westdeutschland nicht als Machtfaktor gegen den Ostblock
gebraucht hätte. Ohne wäre es evtl. sinnvoll gewesen, wobei man
ziemlich füttern hätte müssen, um der Bevölkerung eine Zerschlagung zu
"verkaufen" - insbesondere, da Dänemark, Niederlande, Frankreich und
evtl. Österreich versucht hätte, sich Landesteile anzueignen.
Welche Landesteile hätte Österreich denn haben wollen? Mir fehlt die
Phantasie und/oder das Vorwissen, um da etwas zu finden.
Ganz abgesehen davon, daß Österreich als besetzes Land unter Kontrolle
der Alliierten zu der Zeit nun wirklich ganz andere Sorgen hatte.
Landnahme wäre natürlich nur mit Einwilliung der Besatzungsmächte
geschehen.
Carla Schneider
2004-10-03 19:42:39 UTC
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Post by Christian Pree
Post by Peter Bruells
Post by Patrick Borer
Wäre es nicht sinnvoller gewesen, Deutschland in mehrere kleine
Staaten aufzuteilen, so von Schweizer oder Österreicher Grösse,
wodurch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Grossmachtsgelüste weiter
herabgesetzt worden wäre?
Nur, wenn man Westdeutschland nicht als Machtfaktor gegen den Ostblock
gebraucht hätte. Ohne wäre es evtl. sinnvoll gewesen, wobei man
ziemlich füttern hätte müssen, um der Bevölkerung eine Zerschlagung zu
"verkaufen" - insbesondere, da Dänemark, Niederlande, Frankreich und
evtl. Österreich versucht hätte, sich Landesteile anzueignen.
Welche Landesteile hätte Österreich denn haben wollen? Mir fehlt die
Phantasie und/oder das Vorwissen, um da etwas zu finden.
Ober und Niederbayern haetten ganz gut gepasst, zumal da nichteinmal eine
Sprachgrenze ist, und der Westteil des heutigen Oesterreichs als
Land sowieso ziemlich absurd ist - eben die Schoepfung der Sieger des
1. und 2. Weltkrieges. Der beste Weg von Salzburg nach Innsbruck fuehrt
ueber eine Deutsche Autobahn .
Post by Christian Pree
Ganz abgesehen davon, daß Österreich als besetzes Land unter Kontrolle
der Alliierten zu der Zeit nun wirklich ganz andere Sorgen hatte.
Die Alliierten hatten da sowieso die alleinige Macht.
Ich denke man hat sich sowas nicht getraut, weil mit einer deutschen Wiedervereinigung
in fernerer Zukunft dann auch Oesterreich dabei gewesen waere, und das wollte man
auf jeden Fall verhindern.
Post by Christian Pree
Christian
--
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Volker Eichmann
2004-09-17 09:46:11 UTC
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Hallihallo!
Post by Ralf Kusmierz
X-No-Archive: Yes
Post by Onno Tasler
Post by Christian Pree
Es gibt aber kein Bundesland Sorbien, noch viel weniger einen
eigenen Staat. Warum eigentlich?
Weil die Sorben nie ein sorbisches Nationalbewußtsein entwickelt haben.
Ich halte das für einen falschen Ansatz in der Frage der Bundesländer.
Die sind nämlich ein Ergebnis der deutschen Kleinstaaterei, die
wiederum auf dem mittelalterlichen Lehnssystem beruht. Bestes Beispiel
ist das für Sorbien "zuständige" Sachsen: was für eine Bevölkerung
lebt eigentlich in Sachsen?
Teilweise falscher Ansatz, denn ein Teil der Sorben lebt in Brandenburg.
Post by Ralf Kusmierz
Richtig, Thüringer und Slawen (Wenden), aber keine Sachsen. Das Land
Sachsen heißt nämlich nicht nach seinen Bewohnern so, sondern erhielt
seinen Namen im Verlauf der dynastischen Namensfolge: die sächsischen
Fürsten waren nämlich ursprünglich Sachsen und erhielten das Land als
markgräfliches Lehen.
Auch teilweise falsch. Die Wettiner waren keine Sachsen, sondern schon
sehr lange Markgrafen von Meißen (also dem ungefähren Gebiet des
heutigen Freistaats Sachsen), als sie 1423 mit dem Herzogtum Sachsen
(und damit der Kurfürstenwürde) belehnt wurden. Das Herzogtum bestand
damals nur noch aus dem kleinen Herzogtum Sachsen-Wittenberg und
umfasste ungefähr den heutigen Ostteil von Sachsen-Anhalt.
Post by Ralf Kusmierz
Und sie taten sich dann ganz schön dicke, wurden auch Könige von Polen
und noch so einiges (tatsächlich wurde am Dresdner Hof mit der
Kaiserwürde spekuliert), und aus diesem historischen Zufall gab es
keine sorbischen Herrscher im Reich, die dann einen Gliedstaat bzw.
ein Bundesland einzubringen gehabt hätten.
Das hat aber wenig mit den Sorben zu tun. Wenden (so wurden sie damals
genannt) gab es bis in die frühe Neuzeit auch in weiten Bereichen
Brandenburgs und Mecklenburgs.
Post by Ralf Kusmierz
"Richtige" Sachsen gibt es eben nur in Niedersachsen, was allerdings
bis zur Benrather Linie reicht.
Und im heutigen Sachsen-Anhalt. Das historische Sachsen aus den Zeiten
Karls des Großen reichte bis an die Elbe (Ostfalen genannt).
Post by Ralf Kusmierz
Und daß es außerhalb des deutschen Reiches zu keinem großslawischen
(wendischen) Nordreich kam, lag natürlich an dem ebenfalls
historischen Zufall, daß die christliche Missionierung nur bis
Mitteldeutschland reichte und der Slawenmission des Kyrillos zuvorkam,
so daß sich der deutsche Ritterorden bemüßigt fühlte, die Heiden zu
bekriegen und zu beherrschen bis zum Haff und dort die Marien- und
andere Ordensburgen zu errichten, und damit war das gesamte Wendland
bis weit hinter die Oder deutsch dominiert.
Naja... die Missionierung ging schon weiter. Bistümer wie Havelberg,
Brandenburg, Schwerin, Cammin und Lebus sind schon um 900 - 1000
entstanden. Nur der große Slavenaufstand 983 hat da für einige Zeit ein
weiteres Vordringen verhindert. Die Elbslawen haben es - anders als
Polen und Tschechen - eben nicht bis zu einer einheitlichen
Reichsbildung gebracht. Und die dortigen Kleinherrscher haben es
vorgezogen, so wie die späteren Mecklenburger Herzöge, sich in
Lehnsverhältnisse zum deutschen König zu begeben - was den Mecklenburger
Herrschern immerhin bis 1918 geholfen hat, auch in Amt und Würden zu
bleiben...
Post by Ralf Kusmierz
(Als "Rache" haben die heidnischen Pruzzen dann der Vormacht der
Reichsföderation ihren Namen verpaßt, sozusagen das Gegenteil der
dynastischen Namensfolge, deshalb heißt halb Deutschland (nördliche
Hälfte) auch Preußen und nicht Hohenzollern.)
Wieso Gegenteil? Die Zollern haben analog zu den Wettinern den Namen
ihres vornehmsten Gebietsteils auf ihren Gesamtstaat übertragen. Bei den
Wettinern war es halt die mit dem Hezogtum Sachsen verbundene
Kurfürstenwürde, bei den Zollern die preussische Königswürde.
Post by Ralf Kusmierz
Erst sehr viel später haben die inzwischen christlichen, aber
katholischen und nicht orthodoxen und sich deshalb nicht dem
slawischen Raum zugehörig fühlenden Polen ihren eigenen Staat
aufgemacht, dem aber nicht viel Glück beschieden war: er wurde
meistens fremdbeherrscht und immer wieder zwischen dem Reich und
Rußland zerrieben und aufgeteilt.
Wieso viel später? Das polnische Königtum ist seit ca. 1000 bekannt. Und
im Hochmittelalter um 1400 war Polen die wichtigste Großmacht in ganz
Osteuropa, und blieb das auch bis weit ins 17. Jahrhundert. Von
"meistens fremdbeherrscht" kann in Polen, rechnet man die Jahrhunderte,
keine Rede sein.
Post by Ralf Kusmierz
Sorbien? Nee, dafür war kein Platz. Die maßgeblichen Mächte hießen
Habsburg (hatten mit Österreich ihren eigenen Staat), Preußen, Bayern
und Sachsen, und dann gab es da noch Schweden und Rußland. (Sachsen
erkennt man daran, daß es historisch immer auf der falschen Seite
stand.)
Ähm... deine Beschreibung trifft maximal für die kurze Zeit vom
30jährigem bis zu den polnischen Teilungen zu. Davor und danach ist sie
unpassend.
Post by Ralf Kusmierz
War da noch was?
Ach ja, in Weimar hatten sie auch noch einen Staat aufgemacht.
Thüringen oder so hieß der. Nicht weiter von Bedeutung, da gab's nur
Wurst und Dichter.
Ich finde es erstaunlich, wie sehr Du hier die Geschichte des
mitteldeutschen Raumes und halb Osteuropas verkürzst, ja regelrecht
verwurstest...

Gruß, Volker
Bernd Gramlich
2004-09-10 12:53:09 UTC
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Post by Christian Pree
Meiner Ansicht nach hätte da schon im Mittelalter, bei der deutschen
Ostsiedlung, etwas anders laufen müssen. Ab diesen Zeitpunkt waren
die Sorben umgeben (und durchdrungen?) von einer deutschen Mehrheit
und hatten damit mit wenig Chancen auf Eigenstaatlichkeit. Oder?
Ein Großteil Mitteleuropas bestand damals aus slawischer Urbevölkerung
mit vielen deutschen und jüdischen Neusiedlern. Die drei
Bevölkerungsteile lebten jahrhundertelang friedlich nebeneinander, ohne
sich zu durchmischen. Dorfchroniken erzählen davon, indem sie ihre
Kopfzahlen jeweils auf die drei Teile aufschlüsseln.

Erst der moderne Nationalstaatsgedanke brachte Unruhe in das Gefüge und
warf die Frage auf, wer wo in der Mehrheit ist, welche Grenzen zu
ziehen seien und wie man die jeweiligen Minderheiten assimilieren oder
loswerden könne.

Statt der Utopie eines sorbischen Nationalstaats gefällt mir die einer
großflächig erhalten gebliebenen Bevölkerung aus drei Kulturen
wesentlich besser.
Post by Christian Pree
P.S.: Wenn sich hier nicht bald mehr tut, wird es wirklich Zeit, daß
der letzte das Licht abdreht...
Mir gefällt die Gruppe, obwohl nur alle paar Wochen wirklich etwas los
ist. Meistens sind die Diskussionen sehr lehrreich.
--
Bernd Gramlich Quod scripsi, scripsi.
Michael Dahms
2004-09-10 13:33:09 UTC
Permalink
Post by Bernd Gramlich
Ein Großteil Mitteleuropas bestand damals aus slawischer Urbevölkerung
mit vielen deutschen und jüdischen Neusiedlern. Die drei
Bevölkerungsteile lebten jahrhundertelang friedlich nebeneinander, ohne
sich zu durchmischen. Dorfchroniken erzählen davon, indem sie ihre
Kopfzahlen jeweils auf die drei Teile aufschlüsseln.
In Böhmen&Mähren zu KuK-Zeit war es wohl ähnlich.
Post by Bernd Gramlich
Statt der Utopie eines sorbischen Nationalstaats gefällt mir die einer
großflächig erhalten gebliebenen Bevölkerung aus drei Kulturen
wesentlich besser.
Die Chance war da. Dann sind aber Österreich-Ungarn und Deutschland
dooferweise in den 1. Weltkrieg geschliddert. Selbst in der
Zwischenkriegszeit gab's noch ein friedliches nebeneinander der Kulturen.
Post by Bernd Gramlich
Mir gefällt die Gruppe, obwohl nur alle paar Wochen wirklich etwas los
ist. Meistens sind die Diskussionen sehr lehrreich.
Mir auch. Wenn wir uns exemplrisch den Postingbestand bei
news.individual anschauen, sind wir deutlich von potentiellen
Löschungstrafficzahlen weg.

Michael Dahms
Christian Pree
2004-09-27 23:28:26 UTC
Permalink
Post by Bernd Gramlich
Post by Christian Pree
Meiner Ansicht nach hätte da schon im Mittelalter, bei der deutschen
Ostsiedlung, etwas anders laufen müssen. Ab diesen Zeitpunkt waren
die Sorben umgeben (und durchdrungen?) von einer deutschen Mehrheit
und hatten damit mit wenig Chancen auf Eigenstaatlichkeit. Oder?
Ein Großteil Mitteleuropas bestand damals aus slawischer Urbevölkerung
mit vielen deutschen und jüdischen Neusiedlern. Die drei
Bevölkerungsteile lebten jahrhundertelang friedlich nebeneinander, ohne
sich zu durchmischen. Dorfchroniken erzählen davon, indem sie ihre
Kopfzahlen jeweils auf die drei Teile aufschlüsseln.
Richtig. Dennoch gab und gibt es ein Polen, ein Böhmen, ein Mähren, ein
Serbien - aber kein Sorbien. Meine Frage war im wesentlichen, was die
Sorben anders oder flasch gemacht haben, und wo man ansetzen müßte, um
zu einem anderen Ergebnis zu gelangen.
Post by Bernd Gramlich
Erst der moderne Nationalstaatsgedanke brachte Unruhe in das Gefüge und
warf die Frage auf, wer wo in der Mehrheit ist, welche Grenzen zu
ziehen seien und wie man die jeweiligen Minderheiten assimilieren oder
loswerden könne.
Das ist ja der Punkt: Ein eventueller sorbischer Nationalismus hatte
mangels Bevölkerung und Gebiet gar keine Chance. Ich will an der Stelle
überhaupt nicht bewerten, wie gut oder schlecht Nationalismus ist.
Post by Bernd Gramlich
Statt der Utopie eines sorbischen Nationalstaats gefällt mir die einer
großflächig erhalten gebliebenen Bevölkerung aus drei Kulturen
wesentlich besser.
Geschichtliche Alternativen müssen einem nicht unbedingt gefallen...


Christian
--
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Posten in detebe - Beschaeftigung bis ins hohe Alter (Tiko in detebe)
Michael Dahms
2004-09-28 07:37:19 UTC
Permalink
Post by Christian Pree
Meine Frage war im wesentlichen, was die
Sorben anders oder flasch gemacht haben, und wo man ansetzen müßte, um
zu einem anderen Ergebnis zu gelangen.
1. Die Sorben waren zu wenige, als sich in Europa ein Notionalbewußtsein
entwickelte.

2. Die Ostkolonialisation hätte nicht stattfinden dürfen. Dann gäbe es
aber heute wahrscheinlich keine Sorben und Polen sondern etwas
anderes slawisches.

Michael Dahms
Christian Pree
2004-09-29 22:59:05 UTC
Permalink
Post by Michael Dahms
Post by Christian Pree
Meine Frage war im wesentlichen, was die
Sorben anders oder flasch gemacht haben, und wo man ansetzen müßte, um
zu einem anderen Ergebnis zu gelangen.
1. Die Sorben waren zu wenige, als sich in Europa ein Notionalbewußtsein
entwickelte.
Ich habe inzwischen ein wenig weiter nach Daten gegraben, und die
Weichenstellungen dürften bei diesen sehr weit im Westen lebenden,
relativ kleinen Völkern schon sehr früh passiert sein, so um 800. Die
Sorben hatten jedenfalls schon zumindest Kollateralschäden im Rahmen der
Sachsenkriege.
Post by Michael Dahms
2. Die Ostkolonialisation hätte nicht stattfinden dürfen. Dann gäbe es
aber heute wahrscheinlich keine Sorben und Polen sondern etwas
anderes slawisches.
Selbst die Ostkolonisaton hat dann eher nur mehr die Lage konsolidiert.


Christian
--
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